Funktionierender Schüleraustausch mit der Partnerstadt ernsthaft in Gefahr
WAZ vom 30.04.2003
In England gibt es gar keines, trotzdem hätte es das britische Erziehunsgministerium gern von deutschen Eltern, wenn sie Gastschüler aufnehmen: das polizeiliche Führungszeugnis.
Theoretisch zumindest. In der Praxis ist, das hat die Britische Botschaft in Berlin überprüft, Oer-Erkenschwicks Partnerstadt North Tyneside die einzige im Königreich, die auf strikter Einhaltung dieser "Guideline" (die Kann-Bestimmung wurde erlassen vor dem Hintergrund von Missbrauchsfällen in England) besteht. Was nun den seit 20 Jahren bestens funktionierenden Schüleraustausch des Willy-Brandt-Gymnasiums mit der englischen Partnerstadt ernsthaft gefährdet. Im September des letzten Jahres sorgte die Ankündigung, dass ab sofort das polizeiliche Führungszeugnis Voraussetzung für die Aufnahme eines englischen Kindes/Jugendlichen sei, erstmalig für große Aufregung. 26 Schüler/innen der Saint-Thomas-More-Schule (zu dieser Schule bestehen seit nunmehr fast zehn Jahren enge Kontakte) hatten die neue Auflage im Gepäck, die aber kurzfristig "entschärft" werden konnte, weil das heimische Gymnasium für die Eltern bürgte. Endgültige Klarheit ließ sich vor acht Monaten nicht erzielen, doch inzwischen sieht es so aus, als sei das Thema Schüleraustausch mit North Tyneside schon bald Geschichte. Denn längst ist nicht mehr das geforderte Führungszeugnis das Hauptproblem, hat WBG-Leiterin Renate Urbaniak-Rieder, die mit ihrem Kollegen im "Saint Thomas More" in Verbindung steht, erfahren. "Der Schulleiter hat erklärt, dass er seinen Kollegen nicht mehr zumuten kann, einen Austausch zu begleiten, weil sie - ganz gleich, ob ein polizeiliches Führungszeugnis vorliegt oder nicht - die alleinige Verantwortung tragen, wenn irgendetwas passieren sollte. Was bedeutet, dass die englischen Kollegen stets mit einem Bein im Gefängnis stehen." Noch hofft Renate Urbaniak-Rieder darauf, dass sich klären lässt, warum North Tyneside in diesem Punkt als "Hardliner" auftritt. Möglicherweise kann der Deutsch-Englische Freundeskreis bei seinem Besuch im Mai auf der Insel Neues in Erfahrung bringen. Zudem stehen noch offizielle Antworten aus. So hat Urbaniak-Rieder nicht nur Düsseldorf und den Regierungspräsidenten eingeschaltet. Auch der Rat der Gemeinden Europas wurde informiert. In diesem Jahr stünde der Gegenbesuch der Oer-Erkenschwicker in North Tyneside an. Noch ist die Absage nicht formuliert. "Aber", so die Schulleiterin, "wir stecken momentan in einem Vakuum." hes